12 Klassiker im Jahr · 2019 · Idas Leseprojekte

12 Klassiker für 2019 | #6 | ‘Irrungen, Wirrungen’

Auch dieses Jahr lese ich jeden Monat einen Klassiker, den ich zuvor dem entsprechenden Monat zugeordnet habe. Insgesamt sechs englischsprachige und sechs deutschsprachige Klassiker stehen auf der Liste des Klassikerprojekts 2019. Diese Bücher, die schon seit Längerem auf meinem Bücherregal verweilen, wurden im Laufe der Zeit aus verschiedenen Gründen als ‚Klassiker‘ bezeichnet und variieren unter anderem besonders in der Länge, dem Veröffentlichungsjahr und dem Genre.

Genau vor zwei Jahren habe ich für eine wissenschaftliche Arbeit an der Uni ‘Effi Briest’ von Theodor Fontane gelesen – es war interessant, konnte mich aber nicht wirklich umhauen.  Mein Monatsklassiker im Juni ist ebenfalls ein Werk von Fontane, das schon seit Langem ungelesen in meinem Regal steht: ‘Irrungen, Wirrungen’ aus dem Jahre 1965.

IrrungenWirrungen_03

 

T H E O D O R    F O N T A N E    –    I R R U N G E N ,    W I R R U N G E N

Ja, sie war glücklich, ganz glücklich und sah die Welt in einem rosigen Lichte. Sie hatte den besten, den liebsten Mann am Arm und genoss eine kostbare Stunde. War das nicht genug? Und wenn diese Stunde die letzte war, nun so war sie die letzte. War es nicht schon ein Vorzug, einen solchen Tag durchleben zu können? Und wenn auch nur einmal, ein einzig Mal.

Theodor Fontane | Irrungen, Wirrungen | S. 82

 

Die Geschichte der durch Standesunterschiede verursachten unglücklichen Liebe zwischen dem Leutnant Botho von Rienäcker und der Schneiderin Lene Nimptsch ist sachlich erzählt. Während der kurzen Dauer ihrer Beziehung ist besonders Lene klar, dass ihre Liebe keine Zukunft haben kann. Das Ende der Beziehung hängt wie ein Damoklesschwert über den ersten Kapiteln, auch – oder besonders – dann, wenn Botho und Lene eine schöne gemeinsame Zeit verleben.

“Schüttle nicht den Kopf; es ist so, wie ich sage. Du liebst mich und bist mir treu, wenigstens bin ich in meiner Liebe kindisch und eitel genug, es mir einzubilden. Aber wegfliegen wirst du, das seh ich klar und gewiss. Du wirst es müssen. Es heißt immer, die Liebe mache blind, aber sie macht auch hell und fernsichtig.” – Lene zu Botho, S. 34

Fast schon nüchtern verläuft die Geschichte, der Verlauf der unglücklichen Liebe geht fast still und unspektakulär vonstatten. In leisen Tönen nur erahnt man die ganze Tragödie, vernimmt man die gesellschaftskritische Melodie hinter dem Geschehen. Besonders die Metaphorik gegen Ende des Buches hat mir gefallen. Trotzdem muss ich sagen, dass ich mit Theodor Fontane einfach nicht warm werde – oder sagen wir, mit seinem Realismus.

“Wozu? Wozu beleben und auffrischen, was tot ist und tot bleiben muss? Ich muss aufräumen damit und dabei hoffen, dass mit diesen Trägern der Erinnerung auch die Erinnerung selbst hinschwinden werden.” – S. 158

Trotz der lediglich 200 Seiten hat es relativ lange gedauert, ehe ich endlich auf der letzten Seite angelangt war. Zäh zog sich die Handlung dahin, streckenweise geschah kaum etwas, das mich fesseln konnte. Aber es ist ja auch ein Einblick in ein bürgerliches Leben, das versucht, sich den Konventionen anzupassen – ungeachtet der eigenen Bedürfnisse, des eigenen Liebesglücks. Auch wuchsen mit die Protagonisten nicht gerade ans Herz, und ich mag es einfach nicht, wenn mir der Text einen Zugang zu den Handlungsträgern verwehrt.

“Viel Freud, viel Leid. Irrungen, Wirrungen. Das alte Lied.” – S. 157

Irrungen, Wirrungen ist ein Bildungsroman, in dem Fontane auf gesellschaftskritische und nüchterne Art und Weise eine Liebe beleuchtet, die der zu Fontanes Zeit herrschenden Ständegesellschaft unterworfen ist. Mich konnte die Geschichte trotzdem nicht völlig von sich überzeugen, und ich denke, dass es eine Weile dauern wird, ehe ich erneut zu einem Werk von Fontane greifen werde.

 



Autor:     Theodor Fontane
Titel:        Irrungen, Wirrungen
Verlag:    Reclam Verlag
Jahr der Veröffentlichundieser Ausgabe: 2010; Text folgt der Erstausgabe von 1965
Seiten:     199
Genre:     [Klassiker | Bildungsroman]



 

Übersicht der 12 Klassiker im Jahr 2019:

Januar:            Aldous Huxley – Brave New World
Februar:          Hermann Hesse – Siddhartha
März:               Margaret Atwood – The Handmaid’s Tale
April:               Stefan Zweig – Sternstunden der Menschheit
Mai:                 Charles Dickens – Great Expectations
Juni:                 Theodor Fontane – Irrungen, Wirrungen
Juli:                  Jules Verne – Around the World in Eighty Days
August:           Max Frisch – Homo Faber
September:    Bill Bryson – A Short History of Everything
Oktober:         Thomas Mann – Mario und der Zauberer
November:     Henry James – The Portrait of a Lady [abgebrochen]
Dezember:      E.T.A. Hoffmann – Nussknacker und Mausekönig

22 thoughts on “12 Klassiker für 2019 | #6 | ‘Irrungen, Wirrungen’

  1. Liebste Ida! ♥
    Meinen größten Respekt dafür, dass du dich trotzdem durch dieses Werk klassischer Literatur durchgekämpft hast! Ich überlege schon die ganze Zeit, ob ich mit Fontane jemals in Berührung kam, und wie ich so an Schullektüre denke, fällt mir glatt die Effie Briest ein. Ein Buch, dass ich damals wirklich, wirklich gehasst habe, weil es so unglaublich langatmig war und mir die gute Effie einfach nicht in den Kram gepasst hat. 😀 (Und wie oft ich mir später anhören durfte: Aber du magst doch Jane Austen so sehr, da muss dir doch der Stil gefallen! – Äh, nein?)
    Du siehst, ich verstehe dich vollkommen.

    Sonnigste Grüße in den zweiten Urlaubstag! ♥

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    1. Liebste Gabriela! ❤
      Ooohja, die gute Effi. 😀 Mit der kam ich auch so ganz und gar nicht klar – auch nicht nach wiederholtem Lesen und Analysieren xD
      Langatmig passt da wirklich sehr gut – und so ähnlich ging es mir mit 'Irrungen, Wirrungen'. Eigentlich ist im Grunde nicht wirklich was passiert, um es mal so zu sagen… aber den Schluss fand ich dann wiederum ganz gut (genauso wie bei Effi, btw). 😀 Aber erstmal kein Fontane mehr für mich, bitte danke! 😀

      Dir auch einen wunderbar sonnigen Tag! ❤

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  2. Hey Ida 🙂
    Ich finde dein Plan jeden Monat einen Klassiker zu lesen echt toll! Wäre mal eine Überlegung wert… ich habe soooo viele ungelesen hier. Fontane habe ich glaube ich nie gelesen. In der Regel liest man ja Effie Briest im Abi, aber wir haben damals was anderes gelesen. Ich habe bisher nur Jane Austen gelesen… ich glaube, dass muss ich mal ändern 🙂

    Liebe Grüße,
    Sinah

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    1. Hey Sinah! 🙂

      Danke dir – ich fand es vor ein paar Jahren eine tolle Idee, um jährlich ein paar mehr Klassiker in meinem Lesestapel unterzubringen. 🙂
      Effi Briest habe ich auch erst im Studium gelesen, und da mochte ich das Buch auch eher nicht so sehr. xD
      Ein paar Klassiker dann und wann zu lesen, kann sicher nie schaden 😉

      Liebste Grüße,
      Ida

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  3. Liebste Ida, toll hast du wieder einen Klassiker gelesen. Ich kannte diesen bis dato noch gar nicht und muss mir nun allerdings wirklich überlegen, ob ich diesen überhaupt lesen soll xD
    Auf jeden Fall finde ich es grossartig, dass du es jeden Monat schaffst einen Klassiker von deinem SuB zu schmeissen! 😉

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    1. Guten Morgen liebste Elizzy!
      Ohjaaa – eine Freundin von mir hatte mich schon vorgewarnt, dass dieser Klassiker nicht ganz so nach meinem Geschmack sein könnte, da hab ich dann auch kurz überlegt, ob ich ihn überhaupt lesen möchte 😀 Aber ja, so befreie ich immerhin einen Klassiker nach dem anderen vom SuB 😀

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  4. Hallo Ida,

    ,,Irrungen, Wirrungen” steht auch noch auf meiner Liste. Ich habe in der Schule auf ,,Effi Briest” gelesen und fand, dass es einer der schwächeren Schullektüren war. Vor zwei Jahren habe ich mich noch mal an Fontane gewagt und bin seit seinen ,,Wanderungen durch die Mark Brandenburg” (ausgerechnet!) im Fontane-Fieber. Seine ,,Jenny Treibel” hat mir gut gefallen und ich bin gespannt, wie’s es mit den Irrungen und dem Stechlin aussehen wird.
    Aber ich kann absolut nachvollziehen, dass du schreibst, dass die Geschichten in Fontanes Bürgerlichem Realismus sich arg in die Länge ziehen. Das finde ich auch, deshalb lasse ich immer etwas ,,Luft” zwischen den einzelnen Fontane-Einheiten. 😉

    Viele Grüße
    Jana

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    1. Hallo Jana,

      Den Eindruck hatte ich bei ‘Effi Briest’ auch. Da hatten wir durchaus spannendere Klassiker als Lektüre. :’D
      Ich muss gestehen, dass ich ‘Wanderungen durch die Mark Brandenburg’ trotz allem auch noch sehr gerne lesen möchte, und ‘Der Stechlin’ steht auch noch im Regal. Ich halte es da aber vorerst so wie du und lasse noch ein wenig Zeit verstreichen, ehe ich mich einem weiteren Werk von Fontane nähere. 😀

      Liebste Grüße,
      Ida

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