„Wenn kleine Kinder wissen, dass sie sterben müssen, haben sie keine Angst vorm Tod, denn sie können ihn sich nicht vorstellen. Kleine Kinder, die wissen, dass sie sterben müssen, haben Angst, allein gelassen zu werden.“ – “Kill”, S. 5
Kommissar Fors wird eines Abends gewaltsam überfallen, seine Dienstwaffe wird gestohlen und er selbst wird ins Krankenhaus eingeliefert. Wenig später fallen tödliche Schüsse in einer Gesamtschule. Während die Ermittlungen voranschreiten, steht vor allem eine Frage im Raum: wurde die Schießerei mit Fors‘ Dienstwaffe begangen? Und könnte es sich bei dem Schützen um ein Kind handeln? Für Fors und seine Kollegen beginnt ein Wettlauf mit der Zeit: denn der Täter ist auf freiem Fuß und besitzt eine tödliche Schusswaffe…
Im März letzten Jahres habe ich wieder einen Autor aus der Versenkung meines Bücherschrankes geholt, der dort schon viel zu lange verweilen musste: den schwedischen Jugendbuchautor Mats Wahl. Den ersten Band der Reihe um Kommissar Fors, „Der Unsichtbare“ fand ich schon sehr beeindruckend und beklemmend, weil der Autor damit eine Thematik behandelt, die schon vor Jahren aktuell war: Mobbing und die daraus resultierenden Konsequenzen für alle Beteiligten. „Kill“ ist eigentlich der dritte Band in der Reihe, aber ich finde, dass man die Bücher nicht zwingend in der vorgegebenen Reihenfolge lesen muss, um das Geschehen zu verstehen.
In „Kill“ greift Mats Wahl erneut ein schwieriges und hochsensibles Thema auf: die Folgen eines Amoklaufs in einer Gesamtschule, die Schüler im Alter von sieben bis fünfzehn Jahren besuchen. Mit viel Fingerspitzengefühl greift Wahl das heikle und erschütternde Thema auf und schildert, wie es für die betroffenen Eltern ist, ein Kind zu verlieren.
„Denn wer ein Kind verliert, vor dem liegt eine große Einsamkeit, beherrscht von dem unfassbaren Gefühl, dass einem genommen wurde, was das Leben war, und Trauer, Zorn und Verzweiflung, die dieser Mensch tragen muss, können so unermesslich werden, dass es keine Worte gibt, sie zu beschreiben.“ S. 39
Es gehört viel Mut und Einfühlungsvermögen dazu, über solche Themen wie die Ermordung von Kindern zu schreiben, und Mats Wahl hat mich mit dem Buch absolut überzeugt. Die Geschichte ist erschreckend glaubhaft, die vorkommenden Charaktere haben alle ihren eigenen individuellen Charakter, der sich nahtlos in das Geschehen einfügt und immerzu fragt man sich dasselbe: Wer war denn nun der Täter? War es tatsächlich ein Kind? Und falls ja, was ändert das an der Tatsache, dass der Täter das Leben von Kindern auf dem Gewissen hat?
Die Sprache ist schlicht, und gerade deshalb wirkt alles, was passiert, jederzeit brisant und eindringlich. Man spürt die Wut, die Verzweiflung und die Ohnmacht der Beteiligten. Und auch das Ende rundet die Geschichte ab und regt zum Nachdenken an. Meiner Meinung nach sollte dieses Buch eigentlich zur Pflichtlektüre im Schulunterricht werden. Obwohl „Kill“ als Jugendbuch deklariert ist, liest es sich wie ein ‚Erwachsenen-Krimi‘. Und dass man durchweg den Norden aus dem Buch herausgefühlt hat, ist für mich noch ein weiterer Pluspunkt.
Ich empfehle dieses Buch generell jedem, denn ich finde, dass es Themen gibt, über die nicht genug geredet oder geschrieben werden kann. Mobbing und Amokläufe gehören für mich absolut in diese Kategorie. Und so lange es Schusswaffen gibt, werden die aus dem Gebrauch resultierenden Gefahren und Verluste auch immer aktuell bleiben.
„Denn wenn wir es nicht ertragen, uns an die Toten zu erinnern und warum sie gestorben sind, werden sich die Toten aus ihren Gräbern erheben, um wieder und wieder zu sterben, um uns endlich zu zwingen, dass wir nicht vergessen, nicht vergessen, damit nie wieder geschieht, was wir nicht vergessen dürfen.“ S. 263
Autor: Mats Wahl
Titel: Kill
Reihe: Kommissar Fors #3
Verlag: Carl Hanser Verlag
Jahr der Veröffentlichung: 2005
Seiten: 263
[Genre: Kinder- und Jugendliteratur | Kriminalroman]
“Der Unsichtbare” haben wir damals in der Schule gelesen. Ich fand es auch sehr beklemmend und wusste gar nicht dass es Fortsetzungen davon gibt. “Kill” hört sich ebenfalls sehr spannend an, es wandert direkt mal auf meine Wunschliste 🙂
Kennst du “19 Minuten” von Jodi Picoult? Auch eine sehr interessante und etwas andere Geschichte über einen Amoklauf…
LG
Ricy
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Ohja, “19 Minuten” habe ich gelesen als ich 16 war – und es hat mich auch nachhaltig erschüttert 😦 Es war aber auch interessant den geschilderten Amoklauf aus verschiedenen Perspektiven zu sehen.
Liebste Grüße,
Ida
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